Offener Brief An die Gewerkschafterin Esther Maurer Als Verletzter der Polizei-Gewalt möchte ich als VPOD-Gewerkschaftskollege kurz Stellung nehmen zum Verhalten von Dir und den anderen Gewerkschaftskollegen des Zürcher Stadtrates. Ich wollte am Samstag, 27. Januar mit einem Kollegen einen Freund auf dem Bahnhof Zürich abholen. Am Eingang wurde ich unvermittelt von einem Gummigeschoss am rechten Auge getroffen und sank zusammen. Im Unispital Zürich erfuhr ich von der Schwere dieser Verletzung. Es ist die eine Seite, dass sich der Stadtrat bei den geschädigten Autobesitzern und den Opfern von Sachbeschädigungen entschuldigt. Unverständlich ist der Umstand, dass ihr kein Wort über die Verletzungen, die durch Gummigeschosse verursacht werden, verloren habt. Was ist das für eine Logik, dass Sachwerte geschützt werden, menschliche Anliegen aber darin keinen Platz haben? Davos hat dies wieder einmal klar gezeigt. Eine aufgerüstete Polizei schützt die selbsternannten Herren dieser Welt, die mitverantwortlich sind für das Elend, Armut und Repression auf diesem Planeten. Diejenigen, die auch stellvertretend demonstrierten für jene, welche weltweit unter den verheerenden Folgen der Globalisierung leiden, wurden ihrer Volksrechte beraubt und kriminalisiert. Erachtest Du es als Erfolg, dass Ihr mit Hilfe der Polizei und Armee die Volksrechte im Dienste des Kapitals dermassen verhindert habt? Die Kosten in Millionen-Höhe, die durch das Ruhe- und Ordnungsdispositiv verursacht wurden, dürfen dafür von der Allgemeinheit berappt werden. Dafür werdet Ihr auch weiterhin Steuergeschenke für die Reichen unterstützen. Dies ist offensichtlich die Perversion, die der Logik dieser Politik entspringt. Dass Du die Polizeieinsätze vom 27. Januar als "verhältnismässig" bezeichnest, finde ich einer Gewerkschafterin unwürdig. Ich erwarte von Dir als Polizeivorsteherin, dass Du Dich dafür verwendest, dass Gummigeschosseinsätze in Zukunft als Repressionsmittel nicht mehr eingesetzt werden. Dass es sich bei Gummigeschossen um eine gefährliche Waffe handelt, hält sogar das Europaparlament fest. Hunderte von Riss- und anderen Quetschungen, ausgeschossene Augen, die bis zur gänzlichen Erblindung führten, sind die Bilanz der Zürcher Polizeieinsätze in den letzten 20 Jahren. In Europa haben nur Spanien und Nordirland solche Waffen in ihrem Polizeiarsenal. Kaum an einem anderen Ort als in Zürich wird so hemmungslos von dieser gefährlichen Waffe Gebrauch gemacht und dies mit der gnädigen Mithilfe von Euch Sozialdemokraten und Gewerkschaftern/-in im Stadtrat. Bald stehen wieder Stadtratswahlen an. Sicherlich werden dann wieder die bekannten Hochglanzprospekte ins Haus flattern und uns Gewerkschafter/-innen dazu aufrufen, eine starke gewerkschaftliche Vertretung in den Stadtrat zu wählen. Wiederum soll uns dann suggeriert werden, dass Ihr Euer Amt im Dienste der Lohnabhängigen getätigt habt. Dass ich solche Propaganda auch in Zukunft schlecht vertragen werde, müsst Ihr verstehen. Ich fordere Dich als Gewerkschafterin auf, unverzüglich den Kampf für eine andere Einsatz Doktrin, ohne Gummigeschosse und Tränengas, aufzunehmen. Ich bange immer noch - dies auch nach über drei Wochen nach der mir die Polizei zugefügten, schweren Augenverletzung - um mein Augenlicht. [Mittlerweile lautet die ärztliche Diagnose auf 90% Sehverlust.] Ich hoffe, dass ich der letzte Verletzte war, dem so etwas widerfahren musste. Bei den nächsten Wahlen müssen die Gewerkschafter/-innen Bilanz ziehen. mit kollegialen Grüssen R. F., VPOD-Lehrberufe
|