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23. November 2000/cs
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Sehr geehrte Damen
und Herren
In
Sachen
1.
Herr Ärger,
c/o SSI, Postfach 2122,
8031 Zürich,
2.
Herr Seelenlos,
c/o SSI, Postfach 2122,
8031 Zürich,
gegen
Beamte
der Polizei,
betreffend
Amtsmissbrauch im Sinne von Art. 312 StGB, etc.
wird
hiermit
Anzeige
betreffend des Vorfalles
vom 5. September 2000 an der Klosbachstrasse, 8032 Zürich eingereicht.
Begründung:
1.
Die beiden Anzeigeerstatter bevollmächtigten die Unterzeichnende
(vgl. Vollmacht vom 17.10.2000).
2.
Herr Seelenlos und Herr Ärger wohnen seit November 1997 an der
Klosbachstrasse in Zürich. Dabei handelt es sich um ein Abbruchobjekt.
Es ist eines der Häuser, das der Überbauung am Kreuzplatz
weichen soll. Abbruch- und Baubeginn sind noch offen.
3.
Am 25. August 2000 läutete es unverhofft an der Türe meiner
Klienten morgens kurz nach 8.00 Uhr. Zwei Vermesser verlangten Eintritt,
um auf dem Dach Markierungen für den aufzustellenden Visiermast
anzubringen. Dies war für die Herren ohne weiteres möglich,
sie wurden aber gebeten, sich doch zukünftig vorher schriftlich
oder telefonisch anzumelden, damit auf Grund der Terminabsprache jeweils
auch sicher jemand im Hause ist.
Die
Ladenmieterin im Erdgeschoss befand sich zu dieser Zeit in den Ferien,
worauf mein Klient hinwies und deshalb erst recht betonte, wie wichtig
eine Voranmeldung sei.
4.
Meine Klienten hörten nichts mehr, bis sie am 5. September 2000
morgens durch Lärm aus dem Schlaf gerissen wurden. Die Haustüre
war aufgebrochen, im Hausgang hörten sie Stimmen mit der Aufforderung:
"Aufmachen, Polizei, oder wir treten die Türe ein." Im selben Moment
flog diese auf. Es drangen mehrere Beamte in Uniform und ziviler Kleidung
in die Wohnung meiner Klienten ein. Diese wurden
in Unterhosen aufgefordert, sich an die Wand zu stellen. Auf die Frage
nach einem Hausdurchsuchungsbefehl kam die Antwort: "Wir brauchen keinen."
Meine
Klienten hatten sich im Wohnzimmer aufzuhalten, wo sie auch bewacht
wurden, währenddem die Beamten im Haus ausschwärmten. Erst
auf wiederholte Nachfrage hin gab ein herumstehender Beamter bekannt,
sie hätten den Zugang der Bauarbeiter zum Dach zu sichern.
5.
Durch den Haus- und Treppengang war es den Bauarbeitern ohne weiteres
möglich, auf das Hausdach zu gelangen und dort den Visiermast anzubringen.
Währenddessen
durchstöberten die Beamten die Wohnung meiner Klienten im 1. und
2. Stock sowie das Dachzimmer und packten überall Gegenstände
ein. Auch auf Aufforderung hin wurde kein Beschlagnahmungsprotokoll
erstellt. Ein Beamter fotografierte für meine
Klienten sichtbar in der Stube und im angrenzenden Arbeitsraum, wo sonst
noch sahen meine Klienten nicht.
Meine
Klienten mussten ihren Ausweis zeigen. Herr Ärger gab seinen Presseausweis,
Herr Seelenlos seinen Pass. Beide Ausweise wurden von den Beamten eingesteckt.
Nach
ca. einer Stunde erlaubte Herr B. meinen Klienten sich endlich anzuziehen.
Bald darauf verliessen die Beamten das Haus.
6.
Ca. zwei Stunden später kehrten drei Polizisten an die Klosbachstrasse
zurück, händigten meinen Klienten ihre Ausweise wieder aus
und drangen erneut in das Haus ein mit der Bemerkung: "Um nochmals einige
Fotos zu machen." In dieser Zeit wurden meine Klienten im 1. Stock festgehalten.
Ein Beamter fotografierte im Haus herum.
Einer
meiner Klienten macht darauf hin ebenfalls Fotos. Der Film wurde im
gegen Quittung abgenommen.
7.
Am Sonntagabend, 10. September 2000 kam Korporal H. mit drei Polizeibeamten
wieder an die Klosbachstrasse. Sie brachten den inzwischen von der Polizei
entwickelten und beschlagnahmten Film und eine ebenfalls beschlagnahmte
Videokassette. Gegen Quittung erhielten meine Klienten diese Gegenstände
zurück. Die übrigen Gegenstände seien an Herrn Zünd,
Gruppe Brand und Anschläge weiter gegeben worden.
Am
27. September 2000 konnten meine Klienten weitere zwei Gegenstände
bei der Polizei abholen. Der Rest der beschlagnahmten Gegenstände
sei im Büro von Korporal H. von der Reinigungsequipe entsorgt worden.
Ebenfalls erhielten meine Klienten die Fotos von der Wandcollage im
Wohnzimmer des 1. Stockes. Es wurde behauptet, weitere Fotos seien im
Innern des Hauses nicht gemacht worden.
8.
Während der Aktion am 5. September 2000 gaben die Polizisten H.,
S., W., M., und M. ihre Namen bekannt, ebenfalls Herr B.. Mindestens
sechs weitere Beamte (darunter zwei Frauen) weigerten sich, ihre Namen
zu nennen.
9. Meine Klienten erfuhren, Anlass der Aktion sei gewesen, weil der
Hauseigentümer behauptet hätte, den Bauleuten sei der Zutritt
ins Haus verweigert worden. Abgesehen davon, dass am 25. August 2000
zwei Vermesser ohne Probleme das Haus betreten konnten, wurden meinen
Klienten der weitere Besuch von Bauarbeitern zu einem bestimmten Zeitpunkt
nie bekanntgegeben. Und abgesehen davon, war die Aktion seitens der
Polizei am 5. September 2000 missbräuchlich und unverhältnismässig.
Angemessen
wäre es gewesen, an der Haustüre zu läuten, einen Moment
zu warten, bis einer meiner Klienten die Türe geöffnet hätte,
dann direkt auf der Treppe auf das Dach zu steigen. Alles andere ist
in keinem Fall durch das Gesetz abgedeckt.
So
durchstöberten die Beamten die Wohnung meiner Klienten ohne Hausdurchsuchungsbefehl.
Irgendwelche Dringlichkeit kann nicht nachgeschoben werden, lautete
doch der Auftrag der Polizei ganz anders.
Meine
Klienten sahen, dass u.a. eine von ihnen herausgegebene Zeitung, weitere
Drucksachen, eine Videoblindkassette, Filmrequisiten, Videokassetten,
usw. eingepackt wurden von den Polizisten ohne ein Beschlagnahmungsprotokoll
zu erstellen.
Die
Forderung nach Ausweisen und deren Mitnahme ist ebenfalls durch kein
Gesetz abgedeckt. Niemand muss sich in seinen eigenen Räumen ausweisen.
Es gab keinerlei Grund dafür.
Zudem
musste dem Polizisten mit Übergabe des Presseausweises bewusst
sein, dass sie hier eine Person vor sich haben, gegen welche keine prozessuale
Zwangsmassnahmen (wie Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung) durchgeführt
werden dürfen (vgl. Art. 27bis StGB).
Die
Beschlagnahmung verschiedenster Gegenstände überschritt bei
weitem die zulässige Amtsgewalt, wie auch das Fotografieren in
den privaten Räumen meiner Klienten.
10. Alle Polizisten handelten als Beamte. Eindeutig setzten sie die
ihnen zustehende staatliche Macht zweckentfremdet ein. Sie schnüffelten
in der Privatsphäre meiner Klienten herum. Hatten sie schon den
überflüssigen Auftrag der Sicherung des Zuganges zum Dach,
so diente das Vorgehen der Beamten eindeutig sachfremden Zwecken, was
sich besonders darin niederschlägt, dass sie Gegenstände beschlagnahmten,
Filme und Videokassetten mitnahmen und entwickelten.
Das
Vorgehen der Beamten war auch unverhältnismässig. Wenn schon
der Hauseigentümer eine solche, seitens der Polizei unüberprüfte
Angabe machte, so hätte es genügt, wenn zwei Beamte an der
Klosbachstrasse vorbeigegangen wären, und nicht ein derartiges
Überfallkommando. Die Beamten mussten wissen und konnten nicht
daran glauben, dass sie pflichtgemäss handelten.
Durch
das Verhalten und Vorgehen der Beamten traf meine Klienten ein erheblicher
Nachteil. Sie wurden über längere Zeit ohne gesetzliche Grundlage
beinahe nackt in einem Zimmer festgehalten, ihrer Freiheit beraubt.
Ihr Eigentum wurde beschlagnahmt, besichtigt (Entwicklung der Filme)
und teilweise vernichtet. Zwei Türen wurden beschädigt und
Fensterscheiben zertrümmert. Den gesetzlichen Schutz, den zumindest
Herr Ärger gemäss Art. 27bis StGB für sich
in Anspruch hätte nehmen können, wurde missachtet. An der
Durchsuchung durften meine Klienten nicht teilnehmen.
11. Gegen ein derartiges Verhalten und Vorgehen der Polizei muss eingeschritten
werden. Es kann nicht geduldet werden, dass Polizeiorgane ihre staatliche
Macht derart missbrauchen. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 wurde
Herr Zünd, Kriminalpolizei und angeblich Verantwortlicher für
den Einsatz, aufgefordert, bezüglich der Razzia an der Klosbachstrasse
Stellung zu nehmen. Eine Kopie jenes Briefes ging an das Kommando der
Stadtpolizei Zürich. Bis heute erfolgte keine Reaktion. Ein derartiger
Missbrauch sollte nicht einfach "ausgesessen" werden können.
Mit der Bitte und dem Antrag auf strafrechtliche Untersuchung
grüsse
ich Sie freundlich
RA B. Hug
[Unterschrift]
Vollmacht
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