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Ausschnitte aus dem
1. Kapitel:
Das neue Jahr hatte nicht mal schlecht
begonnen. Ich hatte meinen Becher wohlweislich bei der
richtigen Flasche hingehalten und war so dem äusserst
kopfwehverdächtigen Spumante glücklich entronnen,
und beim anschliessenden Anstossen hatte ich satt zwei
Joints hintereinander ergattert, wovon der eine, an
dem ich mich genüsslich festkrallte, endlich wieder
mal mit dem guten Schwarzen war, nach dem ich schon
die längste Zeit gelechzt hatte.
Kurz darauf musste ich mich
jedoch plötzlich setzen, und auch sitzend machte ich's dann nicht
mehr lange aufrecht, sondern vergrub alsbald meinen Kopf in der Armbeuge
auf dem Tisch, während ich mit dem rechten Arm meine Oberschenkel
umklammerte.
So war's gerade noch knapp
auszuhalten, wie langsam das Karussell losging und mir immer schlechter
wurde. Nach einer Weile gelang es mir zwar meinen Zustand etwas zu stabilisieren,
indem ich möglichst ruhig und gleichmässig zu atmen versuchte.
Vielleicht brachte ich's doch noch fertig mich totzustellen und einfach
zu warten, bis es vorbeiging, ohne gleich kotzen zu müssen.
Peinlicherweise konnte ich
mich schon den ganzen Abend nicht mehr erinnern, wann dies eigentlich das
letzte Mal der Fall gewesen war. Dass ich letzte Frühling hatte kotzen
müssen, als ich an jenem Morgen statt ins Bett zu gehen sinnlos die
Flasche mit dem geschenkten billigen Fuselwhisky zu leeren begonnen hatte,
ok, dass ich da dann plötzlich mal dringend aufs Klo gemusst uuuöööärks-örks-uoooaaaaahhhrghks,
das hatt ich ja noch klar.
Doch das andre Mal, als ich
noch sinnloser möglichst schnell möglichst viel von dem guten
Wodka gekippt und mich anschliessend aus Lust am Frust mit dem Kartonmesser
ein paar Dutzend Mal etwas aufzuschlitzen begann, ob ich da dann auch noch
gekotzt hatte oder doch nicht, diese Frage vermochte ich beim besten Willen
nicht mehr schlüssig zu beantworten.
Doch ich verstand die Welt
ja auch sonst grad nicht mehr so ganz, und ich wollt sie ja grad auch nicht
mehr mehr so gaz verstehn. Nur half da mittlerweile leider auch der tollste
Suff nichts mehr.
Irgendwie hatt ich's ja schon
vor mehr als einer Woche deutlich gespürt, auch als ich noch von gar
nichts gewusst hatte. Nur hatte ich da noch nicht geschnallt, woher eigentlich
diese plötzliche Angst wieder einmal jemanden zu verlieren, anscheinend
bloss weil Leermond war und Winter und ich grad was abgetippt hatte, was
damit zusammenhing, noch dass sie es sein würde, und dass es diesmal
sozusagen umgekehrt war. [...]
Na dann, Prost! Trotzdem,
die zwei läppischen Flaschen Festbier, die zwei mickrigen Eindezibecher
Rotwein, die paar Schlucke Champagner, und nun das - war doch einfach unfair,
sowas.
Dabei hatte ich kurz vor
Mitternacht, als ich wiedermal die Treppe zum Klo hinuntergegangen war,
noch gedacht, ich könnte nachher im Treppenhaus Klimmzüge machen
um mich etwas abzureagieren. Doch beim Kacken kam dann der Alkohol, der
mich bis anhin eher aufgepeitscht hatte, und auch das Piece, das ich vorher
irgendwann gegessen um meinen Lungen einen Gefallen zu tun, plötzlich
hammermässig volle Pulle rein, und ich kämpfte ebensoplötzlich
nur noch mit diesem gelinde gesagt etwas flauen Gefühl im Magen.
Mittlerweile wie erwähnt
zwar nicht mehr ganz so arg - solang ich nur schön stillhielt. [...]
Ringsum lief die Party auf
vollen Touren - nehm ich mal an, weil ausser der Stereoanlage kriegte ich
eigentlich nicht mehr viel mit, doch für die war das auf alle Fälle
voll zutreffend. Und ich war ja auch voll. Irgendwann rüttelte dann
die Frau, von der Caro gemeint hatte, die wär wirklich hübsch
und man müsse sie einfach mögen, an mir und wollte unbedingt
nochmals mit mir anstossen, auch wenn mein Becher leer war und ich ihn
um keinen Preis nachfüllen oder gar nochmals leeren wollte.
"Also dann, nur so zum anschaun",
gab ich schliesslich nach und vergrub meinen Kopf schleunigst wieder in
der Armbeuge. Hatte gar nicht gut getan, ihn so in der Gegend rumzumanövrieren.
Wenn ich nur nicht doch noch seekrank wurde. Obwohl, eigentlich fühlte
ich mich immer noch relativ blendend, und wenn ich es jetzt nur schaffte,
schön ruhig zu bleiben ...
Prompt stolperte irgendeine
Frau nicht mal allzubrutal in mich, die ich in der Folge nur noch flüchtig
aus den Augenwinkeln erhaschte, ohne sie auch nur halbweg schlüssig
identifizieren zu können, denn als ich den Oberkörper aufrichtete
um nicht vom Stuhl zu kippen wurde mir schagartig klar, dass ich besser
gleich ganz aufstehen und mich möglichst unauffällig und ohne
hastige Bewegungen zum Klo begeben würde, während sie sich immer
noch irgendwie verkrampft in voller Lautstärke entschuldigte.
Natürlich hatt ich's
nicht mehr geschafft, mich auch schön brav über die Schüssel
zu beugen, sondern wieder mal schon von nem halben Meter aus losgeprustet,
dafür aber mit beachtlicher Streuung. Immerhin konnte ich mich zwischen
den einzelnen Fontänen noch weiter nähern, und der Deckel war
zum Glück auch offen gewesen.
Als es dann so gegen das
Ende zuging und nur noch trockene Spaghetti hochkamen, fiel mir auch wieder
ein, weshalb eigentlich die ganze Sosse so penetrant rot gefärbt war.
Na, warn eh schlecht gekaut gewesen. Wenigstens hatt ich's trotz allem
geschafft alles brav zum Mund rauszukotzen, statt wie jeweils sonst bei
ähnlich passenden Gelegenheiten die Hälfte durch die Nase.
Nur das Scheissaus als solches
sah halt schon relativ verschissen beziehungsweise reichlich vollgekotzt
aus, wenn ich's mir im Spiegel so genauer besah, während ich mir den
Mund spülte und anschliessend die in Mitleidenschaft gezogenen Gesichtspartien
und Haarstränen wusch.
Kurz entschlossen rupfte
ich die Brille samt Deckel von der Schüssel und wusch sie ebenfalls
im Lavabo, rieb sie mit Klopapier trocken und wischte auch den Rest von
Schüssel, Boden und Wänden. Nur zuhinterst in der Ecke war ich
aus Bosheit zu faul, um auch da noch wirklich sauber zu machen.
Ging alles verhältnismässig
flott von statten. Anscheinend hatte ich nun wirklich nichts mehr im Magen
ausser den paar Schlucken Wasser, die ich vorher zu mir genommen hatte,
und die schienen keine weiteren Turbulenzen mehr zu verursachen. Irgendwie
fühlte ich mich schon bald erschreckend nüchtern. Erst als ich
Brille und Deckel wieder einstöpseln wollte, bekam ich etwas Schwierigkeiten,
war auch irgendwie ein etwas ungewohntes Modell - oder hatte ich es etwa
nur auf ungewohnte Art und Weise demontiert oder gar demoliert? Schlussendlich
machte es doch noch plopp, und ich ging gleich doppelt beruhigt wieder
hinauf. [...]
F o r t s e t z u
n g f o l g t . . .
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