Seelenlos, Zelle 221A      
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen     
       17. April 2000
Benvenuti al campo speciale!  
(Italienisch: Willkommen im Sonderlager!)  

Zuallerserst mal danke für die Naturalgaben, die du vorbeigebracht hast, hatt ich letztes Mal vergessen. Kam die erste Ladung echt schon Samstag, obwohl ganz genau genommen die 2. Monatshälfte erst am Sonntag begann. Wow, nun kann ich mir jeweils wieder ne fette Wurst Paste auf die Zahnbürste drücken! Und beim Duschen ne volle Handvoll Gel verschwenden, was die letzten Wochen jeweils nicht so ganz der Fall war.  

In Sachen Arbeitskampf nicht viel neues, ausser dass heut die Sippenhaft aufgehoben wurde, d.h. ich als bewilligter Selbstbeschäftigter und die 3 Neulinge, die noch gar keine Gelegenheit zur Arbeitsverweigerung gehabt,  hatten den ganzen Gang für uns alleine 

Später kam dann der Abteilungsleiter, und jeder, der letzten Freitag den gemeinsamen Zettel unterschrieben hatte, wurde der Reihe nach ins Sitzungszimmer vorgeladen, doch ich weiss noch nicht konkret, was da jeweils abging, da ich noch mit niemandem sprechen konnte, und als ich dann dran war, ging's erstmal um meine Beschwerde. Bis Herr Rohner dann springen musste, wobei der Rest auf morgen vertagt wurde. Immerhin sieht's doch schon was besser aus, wenn vielleicht auch nicht für den Stockchef, der mir ziemlich kleinlaut einen guten Abend wünschte, bevor er mich wieder in der Zelle einschloss, und auch der Typ, der dich mit der Kohle abgewimmelt, wird nun scheints anhand der Schichtpläne von Herrn Rohner höchstpersönlich ausfindig gemacht. Soviel zum Zwischenstand 

Wenden wir uns also zunächst einem anderen Thema zu, nämlich dem eigentlichen Initiationsritual, sprich der konkreten In-Empfangnahme der hiesigen Neuankömmlinge, was meist nach dem gleichen Muster abzulaufen scheint. 

Die Anlieferung erfolgt per KaPo-Transposter in Handschellen, wie sich's für gemeingefährliche Renitente gebührt, wobei ich dem betreffenden Beamten zugestehen muss, dass er sich zuerst erkundigte und vergewisserte, dass die Handschellen nicht zu eng waren, und sie dann auch arretierte

Das automatische Schiebetor, die Vorzone mit Zäunen, Stacheldraht usw kennt ihr ja schon. Wenn dann innen das Empfangskomitee zusammengetrommelt ist, geht's unter Geleitschutz rein und dann zunächst, psychologisch wohl durchdacht, als erstes gleich mal in den Bunker, ne Einzelzelle mit "Tisch" und "Bett" aus nacktem Beton sowie nem Steh- bzw Kauerklo, wobei die Handschellen abgenommen werden, bevor die Tür ins Schloss kracht. (Ausserdem hat das Ding n traumhaften Hall, den ich jetzt noch ab und an vermisse, wenn ich meine Tonleitern usw mache.) 

So nach 1, 2 Stunden, wenn dann alles "abgeklärt" ist, Zellenplatz oben freigeschaufelt usw, geht's dann wieder mit Begleitschutz raus zur Eintrittsbefragung, Name, Zivilstand, Geburtsort, Konfession, Beruf usw . "Kulturschaffender und Künstler? Na, schreiben wir Künstler, wird wohl reichen." Dass dies meine 1. Begegnung mit dem Stockchef war, wurde mir erst ca 10 Tage später klar, dass ich besser nicht "Normalkost" angegeben hätte allerdings ziemlich bald. 

Danach wirst du freundlich in die Dusche gebeten, zum 3. Mal innert 5 Stunden, doch hier duscht jeder der neu reinkommt, hauptsächlich damit sie solange in Ruhe deine Klamotten filzen können. Anschliessend der obligate Bückling, Mund auf, Zunge bewegen und so, wobei Körperöffnungen selber jedoch nur vom "Arzt" befingert werden dürfen. Dann kriegst noch Nassrasierzeug, Zahnbürste, Tensid-Paste und n Shampoo, Seife mitnehmen, und ab geht's in die "richtige" Zelle, wobei all deine anderen Sachen unten bleiben. 

Je nach "Gemeingefährlichkeitsgrad" dauert's dann kürzer oder länger, bis du zunächst Klamotten und dann den Rest der "persönlichen Ausrüstung" kriegst. Während beispielsweise der 1,7 Millionen-Betrüger von nebenan Gameboy und so noch am selben Tag geliefert bekam, dauerte bei mir nur schon die Effektenliste 3 Tage, und bis ich das bewilligte Zeug in Empfang nehmen konnte, war die 1. Woche sozusagen schon vorbei. Geht halt nix übern schwer erkämpften Ruf als hartgesottener Krimineller, harhar. Doch mittlerweile darf ich wie gesagt schon ohne zusätzlichen Gorilla mit dem Chef reden. Einfach die in Urdorf waren halt bissel schreckhaft an jenem Morgen, die ärmsten.  

Na dann gut Nacht und träumt schön von Stalin, Goebbels, Mengele, Frenkel & Co 
  
                                    Cheers 

 
 
 
Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
 
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