Seelenlos, Zelle 221A     
    c/o Flughafengefängnis, Abt. Strafvollzug, Postfach, 8058 Zürich-Flughafen    
       
2. April 2000 
Hai   

draussen hat's Nebel und der Wind weht definitiv aus der falschen Richtung. Ich habe also die volle Entscheidungsfreiheit zwischen dem aufsteigenden Kippenmief von unten und konzentriertem Kerosin-Smog der warmlaufenden Triebwerke draussen. Demokratie im Zellenformat sozusagen.   

Unten im Spazierhof mit den ca 5 Meter hohen Betonmauern ist der Kohlenmonoxidgehalt bestimmt noch einiges höher. (Vielleicht mit ein Grund weshalb ich beim Joggen jeweils derart früh schlappmach.)   

Da ich gestern schon gut trainiert hab und heute nur noch Lockerungsübungen brauch, leg mich also lieber nochmal n Stündchen hin und arbeite nachher durch. (Da ich hier Selbstbeschäftigung bewilligt hab, brauch ich wenigstens nicht 6 Stunden werktäglich zu malochen wie im Urdorfer Sozi-Knast.)  

Mittlerweile hat die Zahnfleischentzündung auch auf den Hals übergegriffen, bis schliesslich nix mehr war mit Stimmtraining. Seit Donnerstag hab ich nun wenigstens Salz zum Gurgeln, so dass ich heut ganz sacht wieder beginnen konnte, aber viel liegt noch nicht drin.   

Doch zurück zum hiesigen "Platz an der Sonne", sprich Spazierhof Nr. 3: 

Insgesamt hat's hier 4, respektive 2x je 2 spiegelgleich aneinandergebaut. Jedes Teil ist ca 20 m "lang" und 10 m "breit" und grenzt an einer Längsseite an die Gefängnismauer, die übrigen sind von ca 5 m hohen Betonmauern umgeben, innen alle 2 m bemalt mit einem neckischen kleinen farbigen Quadrat, damit niemand sagen kann, es sei alles viereckig und grau in grau. Überdacht ist das ganze mit einem Maschendrahtzaun, ca alle 20 cm durch ein weiteres Gitter aus Nato-Stacheldraht "verstärkt".   

(Danach war das Budget wohl bereits erschöpft. Fachmännisches Einebnen der Plätze vorm Asphaltieren? Wegen ein paar Ausländern, die's sowieso nicht stört, wenn sie ab und zu n Schuh voll rausziehn und mit auf die Zelle nehmen, auch wenn alle Strassen ringsum längst trocken sind? Meinen Sie das im Ernst? )  

An der zentralen Querseite hat's jeweils ne etwa 3 m breite Betondecke. Auf der anderen Seite spiegelgleich der 2. Hof (in unserm Fall Nr. 4), so dass beide vom gleichen Häuschen aus überwacht werden können. Damit wir uns nicht mit denen im anderen Hof verständigen können, werden bei den Fenstern jeweils die Jalousien runtergelassen.   

Unter der Betondecke befinden sich 2 der insgesamt 3 Attraktionen des Hofes: Ein Pingpongtisch mit meist defekten Schlägern und, in die Aussenwand eingeschraubt, eine Stange für Klimmzüge, welche übrigens das gesamte Fitnessangebot darstellt. (Ok, man kann noch für 15.- / Monat mit Wasser gefüllte Kurzhanteln für die Zelle mieten, doch die gibt's grad mal in der einen Grösse von ca. 10 kg, was die Sache doch wieder ziemlich einschränkt. Hanteln aus Metall oder mit Metallkern sind selbstverständlich aus Sicherheitsgründen verboten. Könnten ja mal zurückgeflogen kommen, wenn Schliesser lang genug fachmännisch provoziert und stichelt.) Ebenfalls unter dem Dach hat's noch 3 siefige Bänke, welche sich für Liegestützen anbieten.   

Attraktion Nr. 3 ist ein "Fussball" aus Schaumgummi, der früher mal wenigstens angemalt war wie ein richtiger Fussball, doch das ist schon ne Weile her. Naturgemäss saugt er sich jeweils in den Pfützen (siehe oben) mit Wasser voll und bleibt so, auch wenn's schon paar Tage nicht geregnet hat. Grad heut hab ich vom Fenster aus n Typ gesehn, der ihn gekonnt mit den Füssen jonglierte und zum Schluss noch einen Kopfball wagte. Na ja, grad begeistert sah er nicht aus, als er sich nachher Kopf und und Gesicht abwischte. (N richtiger Ball liegt vermutlich aus "Sicherheitsgründen" nicht drin, oder weil er eh "pfffffft!" machen würde, wenn er einmal an den Maschendrahtzaun mit dem Nato-Gitter kommt.)   

Ne Stunde täglich kriegen wir morgens jeweils Gelegenheit zum Auslauf, bevor's wieder heisst "So meine Herren, fertig luschtig." Und falls du mal vorher schon pissen solltest, hätt'st halt nicht in den Hof gehn müssen.   

Wenigstens ist das Ganze nicht obligatorisch und wir müssen auch morgens nicht zum Appell runter wie dort wo es früher am Eingang hiess "Arbeit macht frei".  
   
                                 Cheers 

 
 
Fortsetzung ...
 

No.  6'666'667
 
 
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